Sales Insights im Gespräch über Alltag, Herausforderungen und besondere Erfolgserlebnisse der STANDARD-Immobilien-Redaktion.

Wie entstehen die Geschichten, die unsere Immobilienberichterstattung prägen? Wir haben mit den Kolleg:innen Martin Putschögl, Bernadette Redl und Jakob Thaller aus unserer Immobilienredakton gesprochen – über ihre Arbeitsweise, relevante Entwicklungen am Markt und die Themen, die für unsere Leser:innen, wie auch für die gesamte Immobilien-Branche von Bedeutung sind.

Wie seid ihr drei eigentlich zur DER STANDARD Immobilienredaktion gekommen – war es eure Leidenschaft für Immobilien, für den Journalismus oder eher ein Zufall?

Jakob: Journalist wollte ich immer werden. Zum STANDARD bin ich 2024 als Kulturredakteur gekommen und dann bin ich durch Zufall Anfang 2025 im Immobilien-Ressort gelandet. Man glaubt es auf den ersten Blick vielleicht nicht, aber die Themengebiete Kultur und Immobilien haben überraschend viele Überschneidungen.

Bernadette: Ich habe nach meinem Journalismus-Studium im Jahr 2016 im Gesundheits-Ressort des STANDARD gestartet und habe schon nach kurzer Zeit auch im Immobilien-Ressort mitgearbeitet, bei mir war es also Zufall.

Martin: Also, die Immobilien können es bei mir nicht gewesen sein, ich habe nämlich 2004 bei derStandard.at/Investor begonnen, so hieß die Online-Wirtschaftsseite damals. Die Leidenschaft für den Journalismus ist es aber ganz sicher, ich war zuvor während des Studiums schon bei der APA. Die Online-Immobilienredaktion auf derStandard.at durfte ich dann ab dem Jahr 2006 aufbauen.

Jakob Thaller, Bernadette Redl und Martin Putschögl (Ressortleitung) schreiben gemeinsam für den IMMOBILIENSTANDARD / Fotos: Heidi Seywald

Was macht die Immobilienredaktion eigentlich genau – und wie unterscheidet sich eure Arbeit von der anderer Ressorts?

Martin: Wir schreiben über die Themen Immobilienmärkte, Wohnrecht, Stadtentwicklung, Raumplanung, Wohn- und Bodenpolitik, etc. Online arbeiten wir vermutlich so wie alle anderen auch, in Print haben wir aber einen Wochenrhythmus einzuhalten, da der IMMOBILIENSTANDARD jeden Samstag erscheint. Dazwischen „liefern“ wir aber auch immer wieder Geschichten, die dann z.B. am Wochenende in der „Agenda”, auf den Wien-Seiten oder als Themenseite auf der Seite 2 landen.

Bernadette: Auch viele lebensnahe Themen sind bei uns dabei: „Wie finde ich ein WG-Zimmer?“, „Wie gehe ich nicht im Chaos unter, obwohl Kinder mit im Haushalt leben?“ oder „Wie lege ich einen naturnahen Garten an?“

Jakob: Außerdem haben wir das Glück, ganz oft Menschen in ihrem Zuhause besuchen zu dürfen. Das wöchentliche Wohngespräch ist unser wohl bekanntestes und beliebtestes Format. Mehrmals im Jahr produzieren wir auch Magazine, wie z.B. den WohnSTANDARD.

Wie sieht ein typischer Redaktionsalltag in eurem Ressort aus?

Bernadette: Anfang der Woche besprechen wir unsere Themen. Wer arbeitet woran, und was ist unsere große Geschichte bzw. das große Thema der Woche? Wir schreiben laufend Texte für online und wählen dann am Donnerstag aus, was davon in die Zeitung darf. Richtig große Geschichten schreiben wir meist für die Wochenendausgabe oder für die schon erwähnten Wien-Seiten am Montag.

Martin: Wir gehen natürlich auch „raus“, zu Presseterminen, oder treffen Leute, die uns was zu sagen haben. Es gibt also eigentlich keinen „typischen“ Redaktionsalltag, jeder Tag ist anders, das ist ja auch das, was diesen Beruf so großartig macht!

Jakob: Und die spannendsten Geschichten liegen manchmal wortwörtlich auf der Straße. Wenn einem am täglichen Arbeitsweg ein Haus auffällt, das schon seit Längerem leer steht und verfällt, dann kann man doch einfach recherchieren, warum das so ist.

Nach welchen Kriterien wählt ihr die Themen aus, über die ihr berichtet?

Bernadette: Vieles interessiert uns selbst oder wir wissen, dass unsere Leser:innen darüber etwas wissen wollen. Manches ist auch aufgelegt, etwa wenn es um politische oder rechtliche Entwicklungen geht. Und natürlich melden sich auch immer Menschen bei uns, die etwas Spannendes zu erzählen haben.

Martin: Wir sind ein überregionales Medium und sollten von daher natürlich das „große Ganze“ im Auge haben, also eher Themen von bundesweiter Relevanz. Weil das Immobilienbusiness ein sehr lokales Geschäft ist und sehr viel an Wohnpolitik in den Bundesländern stattfindet, schauen wir aber natürlich auch dort genauer hin. Wohnbau und Wohnbauförderung, Baulandmobilisierung, Leerstandsmanagement etc., das sind Themen, die auf Landesebene stattfinden. Es ist manchmal schwierig, den Überblick zu behalten, aber so ist es nun mal.

Jakob: Grundsätzlich gibt es da keine Einschränkungen. Oft sind es Geschichten, die wichtig sind, oder ungewöhnlich, und manchmal ist auch etwas Lustiges dabei. Natürlich haben wir einen Wien-Fokus, weil wir eben hier leben und arbeiten, aber ich schaue, dass ich auch regelmäßig hinauskomme. Ursprünglich komme ich aus der Steiermark und auch dort warten viele Immobiliengeschichten, die erzählt werden wollen.

Welche Trends beobachtet ihr aktuell am Immobilienmarkt, die auch für unsere Leser:innen besonders spannend sind? Und welche Themen bewegen unsere Leser:innen im Moment am meisten?

Martin: Immobilienpreise sind natürlich besonders relevant und vermutlich auch das, was viele unserer Leser:innen am meisten interessiert. Da gab es zuletzt ja durchaus spannende Bewegungen. Das Thema „Bauen ohne Boden“ wird immer relevanter, da geht es darum, wie wir in Zukunft bauen werden, und ob wir überhaupt noch neu bauen werden können auf der „grünen Wiese“. Trends sind aber natürlich auch die Digitalisierung und die fortschreitende Urbanisierung.

Bernadette: Die Themen Versiegelung und Bausünden beschäftigen die Menschen sehr. Aber auch die Fragen: „Land oder Stadt?“, „Wie bekomme ich einen Kredit?“, „Kaufen oder Mieten?“ oder Themen wie Airbnb, Tinyhäuser, alles rund um den Garten oder Einfamilienhäuser.

Wie schafft ihr den Spagat zwischen journalistischer Neutralität und dem Interesse der vielen unterschiedlichen Akteur:innen am Markt (Käufer:innen, Verkäufer:innen, Makler:innen, Bauträger)?

Martin: Die journalistische Rolle des „Gatekeepers“ ist in Zeiten des Überflusses an Meinungen und Informationen so wichtig wie noch nie, da bin ich mir sicher. Ich will nicht ausschließen, dass der eine oder andere PR-Spin bei uns schon transportiert wurde, aber wir halten weitaus mehr „unnützes Wissen“ von unseren Leser:innen fern, als wir durch das „Gate“ durchlassen, soviel steht fest. Wir kuratieren, wir stellen zusammen, was für eine breite Leser:innenschaft wichtig ist.

Bernadette: Wir fragen uns immer: Wer steckt da dahinter und was könnte seine oder ihre Absicht sein? Wir bekommen jeden Tag unzählige Mails und Anrufe, und all diese Menschen wollen uns von ihrer Sache überzeugen. Da muss man einfach sehr kritisch bleiben.

Jakob: Da die Redaktion streng von der Werbeabteilung getrennt ist, mache ich mir da keine Sorgen. Natürlich merkt man das, wenn man mit jemandem spricht, der seine Eigeninteressen in die Zeitung bringen will. Am besten kann man dem entgegenwirken, indem man eine andere Meinung einholt und mit noch jemandem spricht. Und dann mit noch jemandem. Recherche macht oft die schönsten Geschichten kaputt!

Gibt es Themen, die im Immobilienbereich besonders polarisieren oder starke Reaktionen bei den Leser:innen hervorrufen? Und wie wertvoll ist in diesem Zusammenhang unser Forum als Rückkanal?

Bernadette: Ein paar Themen haben wir oben schon angeführt. Bei den Themen Häuslbauen, Bodenverbrauch, Einfamilienhäuser, Mietpreisen oder auch Swimming Pools geht es oft hoch her im Forum.

Martin: Das Einfamilienhaus ist tatsächlich immer noch ein „Trigger“, das lässt sich klar sagen. Doch auch das „Wohngespräch“ wird nach 16 Jahren immer noch gerne gelesen, ist ein wöchentlicher Fixpunkt und ruft bisweilen viele Reaktionen hervor.

Wie geht ihr mit dem Druck um, sowohl schnell für Online und/oder Print zu liefern als auch gründlich und recherchiert zu arbeiten?

Bernadette: Wir sind in der glücklichen Lage, dass wir nur selten innerhalb von wenigen Stunden ein ganz neues Thema recherchieren müssen. Meist haben wir dafür zumindest ein paar Tage Zeit. Sicher, oft muss es schnell gehen, aber für viele Themen sind wir auch Expertinnen und Experten.

Martin: Wenn man lange in der Branche ist, hat man die Kontakte, die man braucht, um zum Beispiel schnell mal jemanden anzurufen, der/die sich auskennt oder sonst etwas Wichtiges beisteuern kann.

Gab es schon einmal eine Story, die euch besonders im Gedächtnis geblieben ist – vielleicht, weil sie überraschend, aufwändig oder sogar mit ein wenig Risiko behaftet war?

Bernadette: Ich war auf Reportage in einer Einfamilienhaus-Siedlung in Mistelbach. Diese Geschichte hat mich sehr bewegt und gezeigt, wie einsam Menschen in solchen Siedlungen oft sind. Die Geschichte hat auch für sehr viel Resonanz gesorgt. Ebenso ein Text über die Frage, warum viele so gern zum Tchibo einkaufen gehen – auch wenn das nicht wirklich was mit Immobilien zu tun hatte. Aber wir schreiben ja auch für andere Ressorts. Vor zwei Jahren habe ich auch mal die Architektin und den Architekten meines Wohnhauses zu mir eingeladen und sie gefragt, was sie sich damals bei der Planung eigentlich gedacht haben. Das war ein tolles und aufschlussreiches Gespräch, aus dem natürlich ein Text geworden ist.

Jakob: In der Gumpendorfer Straße wurde einmal unbemerkt ein Haus besetzt, und als die Besetzer verschwunden waren, hatten sie auf der Fassade eine böse Nachricht hinterlassen. Außerdem hatten sie im Internet ein anonymes Statement veröffentlicht, in dem sie den Immobilienmarkt kritisiert haben – und ich habe sie darüber kontaktiert. Treffen wollten sie sich nicht mit mir, auch nicht telefonieren, aber wir haben danach ein paar Wochen lang anonymisiert über Telegram geschrieben. Das war ein bisserl schwierig, weil sich die Nachrichten oft selbst gelöscht haben, bevor sie geantwortet haben, und wir mehrmals von vorne beginnen mussten. Irgendwann hatte ich genug Antworten und daraus ist diese Geschichte geworden.

Martin: Reportagen machen Spaß! Ich war heuer zum Beispiel schon mit der Wiener Baupolizei unterwegs, um sieben Uhr in der Früh haben wir Touristinnen und Touristen aus ihren illegalen Airbnb-Unterkünften heraus geläutet. Da war einer dabei, der ziemlich wütend war.

Welche Immobilien-Themen eignen sich besonders gut für längere Formate oder Schwerpunkte, die auch für Werbepartner:innen interessant sein könnten?

Bernadette: Alles, was lebensnah ist, spricht uns und unsere Leserinnen und Leser besonders an. Wer also Wohnungen oder Häuser an die Leute bringen will, sollte sich überlegen: Was beschäftigt die Menschen in ihrem Alltag? Die Geschichten und Gesichter hinter den Immobilien wollen wir hören und sehen.

Wir bekommen auch jeden Tag Presseaussendungen, manchmal sind sie leider viel zu fachlich oder das Thema spricht nicht unbedingt die breite Masse an. Damit ist man leider raus. Auch hier kommen Beispiele aus der Realität gut an, und gut ist es auch, wenn man sich vorab die Frage stellt: Warum sollte das die Leserinnen und Leser interessieren?

Welche Erfolgsmomente in eurem Job machen euch besonders stolz (etwa außergewöhnlich hohe Page Impressions, Leserreaktionen oder vielleicht sogar politische oder gesellschaftliche Auswirkungen eurer Arbeit)?

Martin: Da möchte ich in erster Linie die Veröffentlichung der städtebaulichen Verträge durch die Stadt Wien nennen, die wir nach jahrelangem juristischem Kampf vor nicht einmal einem Jahr durchgesetzt haben. Das sind Verträge, die die Stadt mit Bauträgern und Entwicklern für bestimmte, meist größere Projekte abschließt. Das Thema beobachte ich schon sehr lange und konnte dazu schon die eine oder andere spannende Geschichte recherchieren.

Bernadette: Ja, das war wirklich ein großer Erfolg, den Martin hier zu verbuchen hat. Martin glaubt außerdem, dass es unseren kritischen Artikeln zu verdanken ist, dass im 22. Bezirk jetzt eine Brücke für Fußgängerinnen und Fußgänger gebaut wird. Aber ich bin mir da nicht so sicher.

Natürlich bekommen wir immer wieder sehr positives Feedback, von Leserinnen und Lesern, aber auch aus dem privaten Umfeld, z.B. erzählen uns Menschen, dass wir sie auf Ideen gebracht oder inspiriert haben. Immer schreiben wir auch über Menschen, die sehr unter den hohen Wohnkosten leiden. Vereinzelt haben sich dann Menschen bei uns gemeldet, die den Betroffenen unter die Arme greifen wollen. So etwas freut mich persönlich am aller meisten.

Apropos Erfolgsmomente: Was sind denn eure erfolgreichsten 3 Artikel der letzten 2 Jahre?

Vielen Dank für diese umfangreichen & spannenden Einblicke in eure Arbeit!

Martin: Sehr gerne! Unsere Geschichten finden sich übrigens alle auf derStandard.at/immobilien.

Bernadette und Jakob: Danke auch für das nette Gespräch.